Anlage 2: Auszüge aus: Bestäubung durch Wildbienen? Eine Option für den Obstbau ...
anläßlich des 20. Bundeskernobstseminars (15. bis 17. Februar 2000) in Oppenheim
Christian Havenith, Auf dem Strengel 21, 53489 Sinzig
Zusammenfassung
Wildbienen stellen als Bestäuber eine wichtige Option zur Vervoll-ständigung der "Bestäuber - Gesellschaft" (pollinator community ) im Obstbau dar. Eine einseitge Konzentration auf die Honigbiene ( Apis mellifera ) und die Erdhummel ( Bombus terrestris ) ist aus verschiedenen Gründen nicht ratsam und sollte nicht weiterverfolgt werden. Eine Erweiterung der Insekten - Palette auf Arten aus den Gattungen Andrena ( Sandbienen ) und Osmia ( Mauerbienen ) ist anzustreben. Falls ein Bestäuber aus diesem Spektrum aus irgendeinem Grunde ausfallen sollte, können die beiden letztgenannten Gattungen die Bestäuberlücke höchst effizient schließen. Weiter werden einfache Maß-nahmen zur Ansiedlung dieser Wildbienen erläutert und verschiedene Nisthilfen dargestellt.
Neben den Hummeln werden vor allem die Honigbienen seit Jahrzehnten als Bestäuber in der Obst - Massentracht eingesetzt. Doch auch hier hat in den letzten Jahrzehnten eine besondere Entwicklung eingesetzt.
Die Milbe der Indischen Honigbienen, Varroa jacobsoni , welche 1904 beschrieben und 1977 erstmals in der Bundesrepublik Deutschland nachgewiesen worden ist, hat sich auf nahezu alle Bienenvölker ausgebreitet. Da der Befall schleichend ist, führt die Nichterkennung und ausbleibende Behandlung zum Absterben des Honigbienenvolkes (30). Auch hat die Zahl der Imker und damit die von Ihnen betreuten Völker seit dem 2. Weltkrieg immer weiter abgenommen (41). Dieser, durch die ungünstige Altersstruktur der Imker begünstigte Negativtrend läßt sich bundesweit belegen, z.B. auch an den Entwicklungen im Bereich des Imkerverbandes Rheinland (1984 - 1998). Aufgrund der starken Dominanz von Honigbienen in Obstanlagen (Zusammenstellung: Siehe (37)) wäre der vollständige Ausfall dieser Bestäuber-gruppe äußerst fatal. Weil manchen Kleinimkern die Behandlung ihrer Völker mit Varroa - Mitteln zu teuer und zu aufwendig ist, ist von einer weiteren Abnahme der Honigbienenzahlen auszugehen. Hinzu kommt eine beginnende Resistenz der Milbe gegen das verbreitete Mittel "Apistan" (44), was die Verwendung nachhaltiger Mittel zur Folge haben wird.
Aufgrund dieser Tatsachen sollte jeder Obstproduzenten bestrebt sein, seine Bestäuber-struktur so vielfältig wie möglich zu gestalten. Eine Konzentration auf nur eine der aufge-führten Arten, Honigbiene und Hummel, wäre aufgrund der genannten Gründe zu unsicher. Die zukünftige Orientierung muß daher die Ausnutzung anderer Bestäuberoptionen bein-halten. Da sich in der Natur im allgemeinen Pflanzenarten (exclusive hochspezialisierte Symbiosen) nicht nur auf einen Bestäuber stützen (7) sondern "pollinator communities" (Bestäuber - Gesellschaften) haben, wäre dies eine sinnvolle Nachahmung. Falls nun eine Art ausfallen sollte, wird durch die anderen Arten immer noch ein Fruchtansatz gewährleistet sein (14,53).
Diese Bestäuber müssen einige Kriterien erfüllen, um für einen Einsatz im Obstbau in Frage zu kommen:
- ihre Flugzeit muß mit der Blüte der Obstbäume synchron sein ,
- sie dürfen nicht auf Sorten fixiert sein ( Problem der Selbststerilität ) ,
- müssen in Europa weit verbreitet sein ,
- müssen ausreichende natürliche Populationen haben,
- müssen leicht in der Agrarlandschaft anzusiedeln sein ,
- müssen sich gut reproduzieren ,
- müssen klimaangepasst sein ,
- müssen tolerant gegen Umwelteinflüsse sein
- ihre Bestäubertätigkeit muß durch Pollenanalyse belegt sein ( abgewandelt nach 7 und 55 ).
Begründet durch die erfolgreichen Versuche des Japaners Maeta ab 1978 mit der Mauer-bienenart Osmia cornifrons begann die systematische Suche nach weiteren Bestäubern innerhalb der Bienenartigen (36,34,43).
Bei der Auswertung verschiedener Suchergebnisse in lokalen Bienenfaunen aus Portugal (32), Spanien (10,35), Italien (9), Polen (3) , der ehemaligen DDR (13), sowie der Bundes-republik Deutschland (39,55, 28) ergab sich ein Schwerpunkt bei den Mauerbienen ( Osmia ) (31) und Sandbienen ( Andrena ) (4,14,26,37,38,43) als aussichtsreichste Bestäuber-optionen. Auch Ansiedlungsversuche in Agrarökosystemen und naturfernen Lebensräumen bestätigen dies (2,18,39,42), ebenso die Vergleiche der Artenzusammensetzungen von Streuobstwiesen (16,46,55).
Bei der Nutzung von Wildbienen als Bestandteil der Bestäuber - Gesellschaft sollten grund-sätzlich folgende Maßnahmen beachtet werden ( diese gelten auch für Honigbienen im Sinne der Bienenschutzverordnung !! ) :
- geringstmöglicher Einsatz von Bioziden im Anbau, da detaillierter Kenntnisse über Toxizität nur bei Honigbienen vorliegen, manche Mittel sind für Wildbienen weniger gefährlich, manche mehr,
- beim Ausbringen dieser Mittel sind bewölkte Tage und die späteren Dämmerungsstunden wegen der geringeren Flugaktivitäten zu nutzen,
- beim Einsatz vorübergehende Abdeckung der Nisthilfen und Nistbereiche der Erdnister mit Planen,
- Erhalt der begleitenden , blühenden Wildpflanzen ( wie z.B. Löwenzahn , Taraxacum officinale , und Taubnessel , Lamium spec. ) zur Sicherung der Nestverproviantierung bei Totalausfall der Obstblüte !!,
- Erhalt der umgebenden wildbienereichen Strukturen wie Streuobstwiesen, Halbtrockenrasen, Hohlwege, Ackerraine, Altholz und Trockenmauern als Populationsreserve und Bestäuberergänzung ( nachhaltige Maßnahme (23) sowie
- Anpflanzung von Windschutzhecken als Verwirbelungsschutz für Bestäuberinsekten und als Reflexionsfläche für Sonnenlicht ( lokale Erwärmungsflächen und passiver Frostschutz für die Obstgehölze ).
Um die geeigneten Wildbienenarten nun gezielt im Obstbau zu fördern bzw. ansiedeln zu können, werden im folgenden die Lebensansprüche näher beschrieben:
Mauerbienen (Gattung Osmia)
Die Mauerbienen zählen mit zu den am besten untersuchten Gattungen der Wildbienen. Durch ihre bereits vielfältig erprobte Anwendung dei der Arbeit in Genbanken (13,17,18), dem Versand und Einsatz in Privatgärten (19), dem Einsatz in Obstplantagen und Gewächs-häusern (11,22,29) sind sie als Erweiterung der " polli-nator community " im Anbau beson-ders geeignet. Ein weiterer Beleg hierfür ist der konstante Nachweis bei Kartierungen von Streuobstwiesen (16,46).
Osmia cornuta, die Gehörnte Mauerbiene fliegt als erste Mauerbiene im Jahr ( siehe Graphik 1. ). Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Südeuropa über Zentraleuropa (55). Da sie die gleichen klimatischen Ansprüche wie die frühen Prunus - Arten hat und zeitgleich mit den frühen Sorten fliegt, ist sie ein idealer Bestäuber zu Beginn der Obstblüte. Sie legt ihre Röhrennester als Ubiquist in allen verfügbaren Löchern mit dem Innendurchmesser von 6 - 8 mm an. Selbst unverputzte Hauswände und Rolladenstopper werden besiedelt ( eigene Beobachtungen, 21 ). Auf die Ansiedlung dieser Art und ihrer nachfolgend beschriebenen " Schwester - Art " wird weiter unten detailliert eingegangen. Aufgrund ihrer guten Bestäuber-qualitäten wurde sie sogar in die USA importiert, um dort im Mandel - Anbau eingesetzt zu werden (50). In Umbrien / Italien übernahm sie sogar die Top - Position bei der Bestäubung von Mandeln ( Prunus dulcis ) (9).
Osmia rufa, die Rote Mauerbiene fliegt etwas später als die gehörnte Mauerbiene und deckt somit das Spektrum der spätblühenden Obstsorten ab ( siehe Graphik 1. ). Ihre Biologie und die Nutzung der gleichen Nistmöglichkeiten wie die vorhergehende Art ermöglichen eine problemlose Ansiedlung (20,21,51).
Bei beiden Arten ist zu beachten, das die Niströhrendurchmesser eingehalten werden, denn es hat sich gezeigt, das in kleineren Durchmessern auch kleinere Tiere schlüpfen. Diese wiederum sind weniger " fit " , also bei der Bestäubungsleistung im Nachteil (16). Die Ver-wendung immer gleicher Materialien mit gleichbleibenden Innendurchmessern oder der Kauf von Nisthilfen zur Ansiedlung und Vermehrung von Mauerbienen schließt solche Fehler aus.
Gute Erfahrungen wurden mit den Nisthilfen der Firma SCHWEGLER gemacht, vor allem das Modell Insektennistwand Nr. 377/5 ist wegen der Anzahl geeigneter Niströhren zu empfehlen, ebenso wie der Nistziegel " Hotel zur wilden Biene " von Folker Fockenberg / Kirchhellen . Das Modell Insektennistwand der Firma Schwegler besteht aus der bewährten klimaausgleichenden Holz - Beton - Mischung und ist 20,5 x 22,5 x 29 cm groß. Der Niststein von Folker Fockenberg ist ein selbstgebrannter, frostresistenter Ziegel und hat die Maße 24,5 x 12,5 x 8 cm.
Preise und Bezug über: www.naturschutzcenter.de.
Grundsätzlich empfiehlt es sich zur Erstellung eines ersten Zuchtstockes die erworbenen oder selbstgefertigten Nisthilfen im ersten Jahr zur Ansiedlung der Gehörnten und Roten Mauerbiene im Bereich der Bebauung oder dörflicher Gartenanlagen anzubringen ( möglichst mit zahlreichen blühenden Obstbäumen ). Hier sind erfahrungsgemäß bereits Populationen der Mauerbienen zu finden. Man kann diese Tiere durch das Anbieten der Nisthilfen dazu bewegen, diese noch im gleichen Jahr neu zu besiedeln. Da der so gewonnene Zuchtstamm sowohl klimatisch als auch zeitlich im Bezug auf den Schlupftermin regional angepaßt und synchronisiert ist, eignet er sich gut zum Einsatz in den Obstplantagen im darauffolgenden Jahr. Die Nisthilfen können nun an den vorbereiteten Hangplatz gebracht werden.
Nachdem die Obstblüte vorüber ist und die Nester mit Lehm oder ähnlichem verschlossen sind, sollten die Nisthilfen abgenommen und aufrecht an einem geschützten Ort im Freiland aufbewahrt werden. Da die Larven zum termingerechten Schlüpfen die Regulation über den Kältereiz brauchen, dürfen sie keinesfalls in geheizten Räumen gelagert werden, da es sonst zum vorzeitigen Schlupf kommt. Ein Schutz der gelagerten Niststein mit Kaninchendraht ist sinnvoll, da Kohl - und Blaumeisen im Winter systematisch die Nisthilfen absuchen und die Niströhren aufhacken. Da die erste Zelle , die Atrium - Zelle, wie ein Flur nicht bewohnt ist, kommt es zwar nicht zu direkten Verlusten, aber über den geöffneten Eingang können sich schädigen Faktoren wie Feuchtigkeit und Pilzsporen ausbreiten.
Da es bei Massenhaltungen von Tierarten immer wieder zum Auftreten von Parasiten oder Kommensalen kommt (45) , sollten folgende Hygienemaßnahmen getroffen werden: bei Niststeinen, die länger als 2 Jahre verwendet wurden (Datum an einer Seite vermerken), sind die Ausschlupfraten zu kontrollieren. Da sich die Zahl der Parasiten über die Jahre er-höhen kann, schlüpfen mit der Zeit immer weniger Bienen aus. Es bleiben immer mehr Nester verschlossen, weil die Bienen dahinter abgestorben sind. Der Lehmverschluss bleibt daher unbeschädigt. Man sollte daher zur Flugzeit die terminlich überfälligen Niststeine mit der geringsten Schlupfrate aussortieren und wie folgt reinigen. Aufbohren der harten Lehm-verschlüsse mit einem Bohrer geringeren Durchmessers ( z.B. bei 6 mm Innendurchmesser einen 5 mm Bohrer verwenden ), anschließendes Reinigen mit einem stabilen Draht und Auswaschung mit einem gut flüchtigen, unparfümierten Desinfektionsmittel, um die Ent-wicklungsstadien der Parasiten und Kommensalen abzutöten. Die so gereinigten Nisthilfen können nach der Verflüchtigung der Desinfektionsmittelreste im Folgejahr wieder verwendet werden.
Falls dennoch Nisthilfen immer wieder unbefriedigende Schlupfergebnisse zeigen, sollten sie ausgetauscht und vernichtet werden.